Reeserplatz Gesamt

AUSLOBER
Stadt Düsseldorf/ Kunstkommission

ORT
Reeserplatz
Düsseldorf
Nordrhein Westfahlen DE

VERFAHREN
Wettbewerb, 2 stufig,

RANG
Beteiligung 2.Phase

STATUS
Keiner der Wettbewerbsbeiträge wurde umgesetzt

MATERIAL
Goldfleck auf Glasvitrine, Text Federico Garcia Lorca
Bronzemetallband neben Weg mit wassergebundener Decke Text Aurelia Wyleżyńska, Rückbau Exerzierplatz, Begrünung

PALIMPSEST FÜR DEN REESERPLATZ

Zukünftig soll der Reeserplatz nicht allein der Aufarbeitung seiner Instrumentalisierung als Repräsentationsort eines mörderischen Regimes dienen, sondern einer vielschichtigen, lebendigen Zukunft Raum geben. Unser Vorschlag möchte auf der Grundlage von heterogenen korrespondieren gestalterischen Komponenten einen poetischen Ort schaffen, der in eine positive Zukunft weist.

1 KÜNSTLERISCH SKULPTURAL
Palimpsest, Poetische Rekontextualisierung,

Wie bei einem Palimpsest, einem antiken Schriftstück aus Pergament, das wiederholt beschrieben, schichtweise abgetragen und erneut beschrieben wird, schrieb und schreibt sich die Geschichte auch in diesen Ort ein. Manches bleibt sichtbar, anderes wird verdeckt. Nach der Streuobstwiese hat der Platz seine Form als Schienenschleife, als Endstation für eine Straßenbahn gefunden. Ab dem Sommer 1939, kurz vor Kriegsbeginn, gibt der Platz einer martialischen Soldatenverehrung Raum. Die Jahre 1939 bis 1945 führen uns die ungeheuren Dimensionen menschlicher Grausamkeit vor Augen.

Die künstlerischen Interventionen zum zentralen 39er Denkmal berücksichtigt unterschiedliche, gleichberechtigte Anforderungen an die Neukontextualisierung des NS-Bauwerks. Eine deutlich sichtbare und schnell erfassbare Intervention aber auch differenzierte, komplexe Sinnbeziehungen und Konterkarierungen.

Die Worte einer Künstlerin und eines Künstler jener Zeit, denen es als Opfer von Faschismus und Krieg brutal genommen wurde, sind das zentrale Gestaltungselement. Garcia Lorca wurde 1936 im spanischen Bürgerkrieg ermordet, sein Grab später niemals gefunden. Aurelia Wyleżyńska starb im Warschauer Ghetto. Ihre Tagebücher beginnen mit dem 15. August 1939 und enden mit ihrem Tod im Jahr 1944.

Aurelia Wyleżyńskas Text wird als zartes Schriftband aus Messingbuchstaben neben dem Weg durch den Park in den Boden eingelassen. Diese zurückhaltende Gestaltung verbindet den aktuell zweiteilig wirkenden Platz. Der Text gibt die wichtigsten Stellen ihres Tagebuchs wieder und erfüllt letztendlich den von ihr zu Lebzeiten geäußerten Wunsch nach Veröffentlichung. Das Schriftband beginnt am, der Trinkhalle nahen Eingang des Parks. Chronologische gewählte Auszüge beginnend mit der Erzählung über die unbeschwerten Ferienwochen im August vor dem Krieg. Leiten durch den Park beim Kinderspielplatz vorbei. Beim gelichteten Dickicht hinter dem Denkmal sind ihre Schilderungen zum 1.September 1939 und die Wahrnehmung Wyleżyńskas der ersten Kriegstage bis hin brutale Realität im Warschauer Ghetto vor dem Denkmal zu lesen.

Garcia Lorcas Zeilen treten skulptural mit dem Kriegsdenkmal in den Dialog. Der Text bildet eine Öffnung in einem riesigen dynamischen Blattgoldfleck. Es entsteht ein vielschichtiges Vexierbild. Das Glas Volumen zitiert eine Vitrine. Einerseits widerspricht sie, gleichzeitig umrahmt sie den Stein. Das Blattgold verdeckt und gibt frei. Die Zeilen aus Lorcas Gedicht, der Text, die Buchstaben sind Öffnungen in der Blattvergoldung. Die Worte, mit denen der spanische Lyriker versucht, den Schmerz angesichts des Todes zu fassen, geben den Blick auf die heldenhafte Darstellung der Soldaten frei. Die Grundform für die Vergoldung entsteht als ungeordneter Fleck. Mit Wucht wird der unsichtbare Haftgrund auf das Glas geschleudert, um dann das Blattgold langsam und in Handarbeit Zentimeter für Zentimeter aufzutragen. Diese gestalterische Ambivalenz zwischen Wucht und Ruhe offenbart sich bei genauer Betrachtung.

FRAGEN DER JURY, WETTBEWERB ERSTE PHASE
Frage Textauswahl

Frederico Garcia Lorca, wurde 1936 aufgrund seiner politischen Haltung und seiner homosexuellen Orientierung von Faschisten ermordet. Sein Werk „Poeta en Nueva York“, ist als vielschichtige Auseinandersetzung mit dem Tod ein kraftvoller Gegenentwurf zum todesverherrlichenden 39er Denkmal. Während Krieg und Nationalismus eindeutige Wahrheiten herstellen, die Einzelnen zu einem „Volkskörper“ verschweißt und letztendlich über Leben und Tod der aus Gemeinschaft exkludierten entscheidet, eröffnet Lyrik vielschichtige Deutungsräume. Die in Stein gemeißelten Worte „…. DES DEUTSCHEN VOLKES….“ werden mit die Zeilen des Dichters: „ ALLE BEGREIFEN DEN SCHMERZ….“ rekontextualisiert. Alle bereifen den Schmerz, und doch ist er ist weder zu lokalisieren noch zu benennen. Die Lyrik gibt diesem unbegreiflichen Schmerz, der Dimensionen sprengt, Raum: “… er ist ein KLEINES UNENDLICHES Brandmal in den unschuldigen Augen der anderen Systeme“.

FRAGE FARBKONZEPT

Wir verwenden das Blattgold aufgrund seiner Materialeigenschaften. Gold ist in vielen Kulturen aufgrund seiner besonderen Eigenschaften verwendet worden: Neben dem unnachahmlichen Glanz ist es unzerstörbar und schützt vor Korrosion. Semiotisch wurden dem Gold magische Eigenschaften zugeschrieben, sein Glanz wird mit dem Licht der Sonne und der Götter verglichen. In dieser Herleitung wird mit ihm ein Ewigkeitsanspruch verbunden, den wir in unserer Verwendung konzeptuell brechen. Vor dem steinernen Denkmal dient es dem Festhalten eines Augenblicks: Eine Flüssigkeit trifft auf etwas unsichtbares Hartes daraus entsteht eine Form die das Aufeinandertreffen von Kräften dokumentiert. Mittels der Blattvergoldung wird der geschleuderte unsichtbare Haftgrund (bzw. die Spur die er auf dem Glas hinterlässt) dauerhaft sichtbar gemacht. Auf dieser großen Fläche von siebzig Quadratmetern, welche mit elftausend acht mal acht Zentimeter kleinen Blättchen belegt werden, wird der enorme Aufwand des handwerklichen Prozesses spürbar.

2 LANDSCHAFTSARCHITEKTONISCH
Dieses kleine Stück urbaner Freifläche bietet bei einer Neugestaltung gute Voraussetzungen die Nutzerinnen der Umgebung einzubinden. Ähnlich wie auf einem Anger oder einer Allmende kann dieser Ort einer diversen Gemeinschaft Raum bieten. Als Grundlage für diesen noch offenen Prozess legen wir einen Gestaltungsvorschlag vor. Unser Vorschlag sieht zunächst einen dialogischen Planungsprozess zwischen professionellen Landschaftsarchitekten und zukünftigen Nutzern vor.

a.) Historische Planungsgrundlage:
Nach der Urbanisierung der als Streuobstwiesen landwirtschaftlich genutzten Flussufer wurde der Reeserplatz in einem weiteren Schritt als Endstation der Straßenbahn ein wichtiges „Eingangstor“ zur Ausstellung Schaffendes Volk. In dem heute als Park genutzte Raum ist diese Spur aktuell kaum lesbar. Die Wahrnehmung, des wenige Jahre später erbauten 39er Denkmals, zerfällt in eine Repräsentationsseite und eine Rückseite, die im Dickicht verschwindet. Diese Zweiteilung in den kaum genutzten Vorplatz und Parkanlage wird durch die künstlerische und landschaftsarchitektonische Gestaltung verbunden. Ein Weg Verbindet die beiden Grundstücke und das Denkmal soll zukünftig als dreidimensionales Volumen erfahrbarwerden. Der Beteiligungsprozess beim Planungsverfahren, schafft Möglichkeit dieses historische Bewusstsein in der alltäglichen Nutzung wach zu halten.
b.) Ökologische Planungsgrundlage :
Der Entwurf schlägt vielschichtige Verbesserungen des Mikroklimas vor. Die Wiesenbereiche werden vergrößert und die Vegetation wird durch Busch und Baumbepflanzung schattenreicher; wo es möglich ist werden die Wege mit wassergebunden Oberflächen ausgestattet. Das Dickicht auf der Rückseite des Denkmals wird gelichtet, dient aber weiterhin als, Schattenspender und Rückzugsraum. Es dient als Raum und Nahrungsquelle für Vögel wie Insekten und soll deshalb nicht vollkommen entfernt werden. Mit der Zusatzbepflanzung soll dieser ökologische Aspekt ausgeweitet werden, neben blühende Gräser, Stauden Büschen ist geplant als Referenz auf die Streuobstwiesen Obstbäume zu pflanzen. Als ortsspezifischer historischer Bezug schlagen wir die Sorte Korbiniansapfel vor. Diese Sorte wurde von dem ab 1940 in Dachau inhaftieren Pomologen Korbinian Aigner im KZ gezüchtet. Ob die Pflanzung dieser und anderer pflegeaufwendigen Sorten möglich ist, soll im Rahmen des Planungsprozesses mit Baumpatenschaften festgelegt werden.
c.) Soziale Planungsgrundlage:
Die Parkanlagen, als wichtiger Teil des öffentlichen Raumes, stellt eine wesentliche Möglichkeit dar, um soziale Kontakte zwischen Bewohner*innen des Stadtteils zu ermöglichen. Durch den Beteiligungsprozess im Zuge der Neugestaltung können positive Auswirkungen auf die Beziehung zu ihrem Lebensraum entstehen. Neben den bereits erwähnten künstlerischen und ökologischen Veränderungen stehen die zentral genutzten Orte Spielplatz und Wiese im Mittelpunkt. Sie sind intensiv genutze Orte und können deshalb mit wenigen Gestaltungskomponenten stärker als Orte der Kommunikation etabliert werden. In die Halbrundanlage der Wiese werden befestigte Sitzstufen eingebaut. Die vorhandenen Bänke werden erweitert und modifiziert, und in eine Pergola eingebunden die eine Beschattung für den Spielplatz herstellt.

INFORMATION, DIDAKTIK
Litfaßsäule, Wandzeitung,

Die Information zu den historischen Hintergründen des Ortes wird einerseits mit Historiker*innen ausgearbeitet, andererseits wird ein Raum für eine Wandzeitung für eine lebendige Diskussion geschaffen. Grundlage ist eine der Litfaßsäule nachempfundene Säule aus dunkelgrünem Emailblech mit einer permanent sichtbaren historischen Information. Für die Gestaltung der Wandzeitung streben wir die Zusammenarbeit mit Schulen aus der Umgebung an.

Denkmalohne72

Goldfleck